Die Schützenscheibe

Die Schützenscheibe

Die Tradition der Schützenscheiben liegt weit zurück. Um die Geschichte dieser bemalten Holzscheiben zu erkunden, muss man einen weiten Weg zurück in die Vergangenheit wagen.

News über Schützenscheiben:

Für Verwirrung sorgen derzeit Meinungen von Experten. Im Auftrag des dt. Bundesinnenministeriums stellten diese fest, "Schützenscheiben sind eine Gefahr" und hätten in den Schießbahnen nichts zu suchen. Laut den Experten könnten Geschoße an den Kanten der traditionellen Schützenscheiben zurückgeworfen werden.

Verfolgen Sie den Bericht des MERKUR vom 21.08.2013:
http://www.merkur.de/lokales/erding/landkreis/schuetzenscheiben-visier-3069191.html

oder den Artikel im Traunsteiner Tagblatt
http://www.traunsteiner-tagblatt.de/region+lokal/landkreis-traunstein/traunstein_artikel,-Schuetzenscheiben-nicht-mehr-an-den-Waenden-der-Staende-_arid,84353.html


Schützenscheiben an einer Hauswand
Bild von Schützenscheiben die im Außenbereich
des Vereinsheimes präsentiert werden.

Schon vor Christi Geburt haben wir es vor allem mit keltischen und frühgermanischen Gilden zu tun, die schon damals ein alljährlichen "Vogelschuss" praktizierten. Man musste einen Vogel aufspüren und der jene, der den Vogel "schlug" wurde, schon damals als Schützenkönig geehrt. Dazu gehörten auch die Prozession sowie die feierliche Bestattung des Königsvogels. Dieses frühreligiöse Kultopfer gehört natürlich längst der Vergangenheit an. Ein Schlussgelage jedoch, für das damals der König aufkommen musste, wird sicherlich der ein oder andere noch kennen.

Je mehr sich das Christentum durchsetzte, desto öfter distanzierte man sich von dem blutigen Kultopfer. Die "lebende Zielscheibe" wurde nach und nach durch leblose Objekte aus unterschiedlichen Materialien ersetzt. Diese Erscheinung führte dazu, dass das Kunsthandwerk für das frühe Schützenwesen immer wichtiger wurde. Sie fertigten prachtvolle "Königsvögel" aus Gold und Silber an. In den Schatzkammern der Schützengilden und Vereinigungen, die zu dieser Zeit bereits existierten, kann man die Kunstobjekte aus der vergangenen Zeit noch bewundern. Dieses kunstvolle Ersatzstück trug dazu bei, dass der Vogel zum "höchsten Würdezeichen" des Schützenwesens wurde. So sind sie auch in der Folgezeit den Schützengilden als Anhänger an den Schützenketten erhalten geblieben.

Antike Schießscheibe mit einem Schützenvogel
Darstellung einer antiken Schießscheibe
mit dem Schützenvogel im Hintergrund.

Die Schützenvögel - kunstvoll gestaltet!

Bei Brauchtumsveranstaltungen wie Schützenfesten, Städtefreischießen und etwa Vogelschießen, was nie ganz von der Bildfläche verschwand, wurde freilich nicht auf die prunkvollen Vögel geschossen, viel mehr richtete man die Waffe auf solche aus Holz. Kunstvoll geschnitzt, bemalen und geschmückt thronten die majestätischen Vögel auf einer Holzstange. Ziel des Schießens war es, mit der Armbrust so viele Holzspäne wie möglich herabzuschießen. Die Splitter jedes Schützen wurden aufgesammelt und gewogen. Je mehr Gewicht der einzelne auf die Waage brachte, desto vorteilhafter war es natürlich auch, denn so erhielt der "Schützenkönig" als bester Schütze einen Schießpreis. Bei diesen Holzvögeln blieb es aber nicht. Mit dem Wandel der Zeit konnte das Vogelschießen den Erwartungen der Schützen nicht mehr gerecht werden. Die Gildeschützen wollten sich in einem wechselseitigen Wettbewerb messen. So kam es als bald zum Leistungsschießen mit den damaligen Feuerwaffen. Es wurde nun mehr und mehr horizontal zur Schießscheibe geschossen, wodurch der traditionelle Holzvogel auf der Stange verdrängt wurde. Aber auch im 21. Jahrhundert pflegen noch einige Traditionsvereinigungen das überlieferte Vogelschießen, wenn auch etwas modifiziert. Dieser Wettbewerb wird heutzutage meist noch von einem Dorf- oder Schützenfest begleitet.

Schießen wird zum Sport

Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges um 1650 setzte sich also allmählich die hölzerne Schießscheibe als Ziel durch. Für die Kunsthandwerker war dies natürlich eine wahrhaft lohnende Aufgabe, die eben genannten Scheiben als solche kunstvoll zu bemalen. Dabei wurde die einfache Holzscheibe zu einem echten Gegenstand der Volkskunst. Wer die einstigen Schützenscheiben aufmerksam betrachtet, wird feststellen, dass sich die damalige Stimmung des Volkes in den Scheiben widerspiegelt. Die Künstler hingegen verstanden es perfekt, den "Geschmack" ihrer Zeit zu treffen. So war es kein Zufall, dass so manche Schießscheibe einen politischen Hintergrund hatte. Auf den Schießscheiben des frühen 19. Jahrhunderts bevorzugte man Themen wie beispielsweise die Französische Revolution und auch die Feldzüge Napoleons. Später jedoch begehrte man wieder klassische Motive wie Städtelandschaften und Szenen des Schießplatzes. Der allseits bekannte Schießvogel war ebenfalls ein gern gesehenes Objekt auf den früheren Schützenscheiben, wie auch Motive, in denen sich Zorn, Verzweiflung und die Erleichterung der Menschen zeigte. Die derartigen Werke waren zweifellos eine Modeerscheinung des damaligen Zeitalters. Doch bald hatten sie ausgedient.

Scheibe eines Schützenkönigs mit einem Lanschaftsmotiv 'Walberla'.
Dieses Bild zeigt eine Schützenscheibe im modernen Stil
mit einem Brandmalmotiv.

Es folgte erneut ein Wandel.

Zunehmend nüchterner betrachtete man nun das Wettkampfgeschehen. Das Schießen an sich wurde allmählich zum Volkssport, so trat nun die unbemalte Schießscheibe ihren Triumphzug an. Die Scheibe aus Karton gehört dennoch lange nicht zum "Alten Eisen", selbst wenn elektronische Schießstände auf dem Vormarsch sind. Der Wert eines solchen Wettkampfschusses wird heutzutage in Ringe gemessen, der erfolgreiche Sportschütze sehnt sich geradezu danach, die höchst mögliche Anzahl (10 Ringe) zu erreichen.



Die Schützenscheibe aus der heutigen Sicht

Der Schützenscheibe aus Holz und die lange Tradition der Holzscheibe konnte selbst der Wandel der Zeit nichts anhaben. Die Romantik der vergangenen Jahrhunderte wich einer Sehnsucht nach diesen Zeiten, so werden auch heute noch zeitgemäße Schießscheiben gefertigt. Die bemalten Holzscheiben werden aber nicht mehr beschossen, wie es einst der Fall war. Viel mehr dienen sie dem dekorativen Zweck in Vereinsheimen, als Andenken oder als Geschenk für den Schützenkönig. Das Handwerk jedoch verliert jedoch zunehmend an Präsenz, die Kunsthandwerker können mit der industriell hergestellten Massenware einfach nicht mithalten. Dies hat zur Folge, dass die Kunst und das Wissen über diese alte Tradition zunehmend in Vergessenheit gerät. Vor allem im bayrischen Raum sowie in Tirol findet man noch solche Volkskünstler, die einzigartige Schützenscheiben drechseln, schnitzen und bemalen und ihr Handwerk verstehen.